Gaza als „Riviera“ – Krieg, Vertreibung und Profit

Die „Washington Post“ hat am 31.August ein Dokument veröffentlicht, das sich liest wie ein Investmentprospekt für ein koloniales Großprojekt. Unter dem Titel GREAT Trust – Gaza Reconstitution, Economic Acceleration and Transformation Trust – entwirft die US-Regierung einen Nachkriegsplan, der in Wahrheit eine Enteignungsmaschine ist. Zwei Millionen Menschen sollen den Gazastreifen zumindest vorübergehend verlassen. Wer geht, erhält 5000 Dollar Bargeld, vier Jahre Mietzuschüsse, ein Jahr Lebensmittel. Wer Land besitzt, bekommt einen „digitalen Token“ – ein abstraktes Versprechen, das irgendwann in eine Wohnung in einer geplanten „AI-powered smart city“ eingetauscht werden könnte. Wer bleibt, soll in streng überwachten Zonen ausharren, bis das neue Gaza gebaut ist: mit Luxusresorts, Golfplätzen, Elektroautofabriken und Datenzentren.

Profit statt Menschenrechte

Das ist keine groteske Fantasie, sondern ernsthafte Planung. Beratungsfirmen wie die Boston Consulting Group haben die Kalkulation erstellt: auf 100 Milliarden Dollar Investition wird ein fast vierfacher Gewinn in zehn Jahren erwartet. Investorengelder sollen den Wiederaufbau finanzieren, private Sicherheitsfirmen die Ordnung sichern, Israel das „Überwachungsrecht“ behalten. Selbst die geplanten Straßen tragen symbolische Namen: eine Umgehungsstraße soll „MBS Highway“ heißen, nach dem saudischen Kronprinzen; eine Nord-Süd-Achse nach dem Präsidenten der Emirate. Es ist die Logik eines Monopoly-Spiels, gespielt auf den Ruinen einer Gesellschaft.

Wiederkehr der Nakba

Die historische Parallele drängt sich auf. 1948, in der Nakba, wurden Hunderttausende Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben. Heute soll die Katastrophe mit neuen Mitteln wiederholt werden – nicht mit Bajonetten, sondern mit Bargeld, Tokens und Consulting-Sprache. Auch die Muster sind vertraut: Irak nach 2003, Afghanistan nach 2001 – „Reconstruction“ bedeutete dort Privatisierung, „Stabilisierung“ hieß Besatzung. Gaza soll jetzt zur „Riviera des Nahen Ostens“ werden, wie Trump es formulierte. Der Krieg schafft die Leere, das Kapital füllt sie.

Klassenlogik und Zynismus

Die Klassenlogik ist unübersehbar. Profitieren sollen US-Investoren, israelische Sicherheitsfirmen, arabische Golfstaaten, die im Rahmen der Abraham Accords eingebunden werden. Verlieren werden die palästinensischen Familien, die aus ihrer Heimat gedrängt und zu billigen Arbeitsmigranten gemacht werden. „Jeder Abgang spart dem Trust 23.000 Dollar“, heißt es zynisch in den Unterlagen. Menschenleben werden in Excel-Zellen verrechnet.

Stimmen aus Gaza

Dabei werden die Palästinenser nicht als Subjekte, sondern als Hindernis betrachtet. Ein Vater aus Khan Younis sagt im Washington-Post-Bericht: „Ich bleibe in meinem teilweise zerstörten Haus. Das ist mein Land.“ Diese Stimme zeigt die ganze Diskrepanz: Während Berater von „AI-powered smart cities“ schwärmen, verteidigen Menschen mit leeren Händen ihr Recht auf Heimat.

Sprache der Verschleierung

Die Sprache des Plans ist verräterisch. „Tokenisierung“, „Rekonstitution“, „Transformation“ – technokratische Begriffe, die die Gewalt verschleiern. In Wahrheit geht es um Akkumulation durch Enteignung, wie David Harvey es nennt: Land wird entzogen, in Wert gesetzt, profitabel gemacht. Lenin hätte es „Imperialismus“ genannt: die Verschmelzung von Finanzkapital, Staat und militärischer Gewalt, die den Globus neu aufteilt.

Eine Riviera auf Trümmern

Am Ende steht ein zynisches Bild: ein „Gaza Trump Riviera“, künstliche Inseln wie in Dubai, Luxusstrände unter US-Verwaltung, Investoren mit garantierten Renditen. Und ein Volk, das in Lager gedrängt, ins Exil gezwungen oder zur Arbeit in fremden Ländern geschickt wird. Das ist nicht nur eine Verletzung des Völkerrechts, sondern eine Fortsetzung des Kolonialismus mit digitalen Mitteln.

Internationale Ächtung und Selbstbestimmung

Die Geschichte der Kolonien wiederholt sich: Früher kamen Bibel und Pflug, heute Blockchain und Consulting-Firma. Aber das Prinzip bleibt dasselbe: Land wird verwertet, Menschen werden verdrängt, Kapital kassiert. Gaza als Business-Case – das ist die nackte Wahrheit des GREAT Trust.

Diese Pläne dürfen nicht als technische Visionen oder „Investitionschancen“ diskutiert werden. Sie sind ein Angriff auf das Recht der Palästinenser auf Heimat, Selbstbestimmung und Rückkehr. Sie stellen einen offenen Bruch des Völkerrechts dar. Was hier geplant wird, ist nichts anderes als eine modernisierte Form der ethnischen Säuberung.

Darum braucht es eine klare internationale Ächtung: durch die Vereinten Nationen, durch Regierungen, durch soziale Bewegungen. Nicht die Sprache der „Rekonstruktion“ darf den Diskurs bestimmen, sondern die Verteidigung grundlegender Menschenrechte. Gaza darf nicht zur Spielwiese von Investoren und Geostrategen werden. Eine Riviera, die auf Trümmern und Leichen gebaut ist, bleibt ein Massengrab, kein Ferienort.

Link zum Washington Post Artikel:

https://www.washingtonpost.com/.../trump-gaza-plan...

Den Plan herunterladen:

https://drive.google.com/.../1QQuZaLVqRGfgUpKkAwICjp...

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