Julia Ruhs – Empörung als Geschäftsmodell

Julia Ruhs tritt auf wie eine Rebellin. Doch sie ist keine Außenseiterin, sondern das Produkt einer klaren politischen Strategie. Gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung, geprägt im RCDS, medienwirksam aufgebaut beim Bayerischen Rundfunk – ihr Aufstieg ist weniger Zufall als Resultat konservativer Nachwuchsarbeit.
Schon ihre frühen Auftritte folgten einer Logik: 2021 ein Kommentar gegen Gendern, 2023 eine Tirade gegen „illegale Einwanderung“. Das Kalkül war simpel – eine junge Frau von rechts bricht das Bild vom „alten weißen Mann“, provoziert Widerspruch, erzeugt Reichweite. Provokation war nicht Nebeneffekt, sondern Geschäftsmodell.
Die Belohnung ließ nicht auf sich warten: Kolumne bei Focus Online, dann die eigene ARD-Sendung Klar. Deren Pilotfolge zeigte exemplarisch, wie Ruhs arbeitet: Migration wurde als Bedrohung inszeniert, einseitig, emotional manipulativ. Kein Versuch, die Realität in ihrer Komplexität zu erfassen – stattdessen Dramatisierung im Dienst einer Agenda.
Ihr Buch „Links-grüne Meinungsmacht“ setzt diesen Stil fort. 192 Seiten Klischees, Fanpost und Zitate aus dem konservativen Spektrum. Keine Analyse, keine originellen Gedanken. Aber Plumpheit ist hier Methode. Denn Plumpheit verkauft sich: Sie signalisiert Klartext, wo nur Ressentiment reproduziert wird.
Die zentrale These – eine linksliberale Übermacht in den Medien – ist altbekannt. Seit den Kohl-Jahren gehört sie zum Repertoire konservativer Kulturkämpfe. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Rechte Parteien gewinnen Wahlen, rechte und konservative Medienhäuser erzielen Auflagenrekorde, rechte Narrative prägen längst den öffentlichen Diskurs. Die „links-grüne Meinungsmacht“ ist ein Phantom, das als Schreckgespenst funktioniert, weil es die eigenen Anhänger mobilisiert und Gegner in die Defensive drängt.
Besonders heuchlerisch wird es, wenn Ruhs den Linken „Emotionalisierung“ vorwirft. Ihre eigene Sendung inszenierte trauernde Opferfamilien, um Migration als Gefahr zu illustrieren. Was sie anderen vorwirft, ist ihr eigenes Handwerk: Kampagnenjournalismus, der Betroffenheit instrumentalisiert.
Kritisch gelesen ist das Buch kein Beitrag zur Medienkritik, sondern Teil eines Hegemoniekampfes. Gramsci hätte sofort erkannt: Es geht nicht darum, ob Medien „links“ oder „rechts“ sind, sondern darum, Deutungshoheit zu sichern. Ruhs’ Vorwurf einer „linksgrünen Dominanz“ soll linksliberale Journalist:innen verunsichern, ihnen Schuldgefühle einreden, sie zu übertriebenem Neutralitätsgehorsam zwingen. Rechte Stimmen dagegen senden weiter ungebremst. Ein asymmetrisches Spiel, das längst zu ihren Gunsten funktioniert.
Und dennoch: Linke Medienmacher:innen sollten nicht einfach abwinken. Denn im Schrotfeuer von Ruhs’ Angriffen stecken Splitter, die echte Schwachstellen treffen. Moralisierende Pädagogik, ökonomische Abhängigkeiten, prekäre Arbeitsbedingungen – all das schwächt den Journalismus und erzeugt jene „Reaktanz“, die rechte Akteure dann politisch ausschlachten. Wer das ignoriert, macht es sich zu bequem.
Subjektive Reflexion
Wenn man Ruhs liest oder sieht, merkt man schnell: Sie richtet sich nicht an alle. Sie richtet sich an ein bestimmtes Publikum, das bereits verunsichert, wütend, misstrauisch ist. Ihr Journalismus bestätigt dieses Gefühl, liefert einfache Feindbilder, übersetzt diffuse Frustration in gerichtete Aggression. Für ihre Anhänger ist sie nicht nur Journalistin, sondern Stimme.
Doch genau darin liegt die Wirkung: Sie polarisiert so stark, dass Differenzierungen verschwinden. Entweder Zustimmung oder Abscheu – beides treibt die Reichweite. Im Kapitalismus der Aufmerksamkeit ist das die eigentliche Währung. Wahrheit spielt keine Rolle mehr, nur die Fähigkeit, Empörung in Klicks zu verwandeln.
Für die Leser:innen bedeutet das: Man wird nicht aufgeklärt, sondern mobilisiert. Nicht informiert, sondern affektiv gebunden. Wer Ruhs folgt, bekommt kein Werkzeug, die Welt zu verstehen, sondern Munition, um sie zu bekämpfen. Wer ihr widerspricht, läuft Gefahr, die eigene Energie in Abwehrkämpfe zu stecken, die nichts verändern.
Genau das ist die Logik ihres „Journalismus“: Spaltung als Geschäftsmodell. Empörung als Kapital. Politik als Inszenierung. Und hinter all dem eine alte Erkenntnis, die Marx schon formulierte: Im Kapitalismus wird selbst die Lüge zur Ware – solange sie Profit bringt und Macht verschiebt.
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