Peter Thiel und die Apokalypse: Die Mythenmaschine des digitalen Feudalismus
Mir hat der Podcast über Peter Thiel sehr gefallen. Jedoch fehlt fast vollständig eine theoretische Einordnung. Insbesondere auch zu dem, worum es Peter Thiel hauptsächlich geht: Armageddon und der Bekämpfung des Antichristen. Was sich anhört wie die Vision eines religiösen Sektierers ist viel mehr und auch viel wirkungsmächtiger. JD Vance, der amerikanische Vize-Präsident, ist Peter Thiels Mann. Er soll Trump nachfolgen. Peter Thiel ist reich, strategisch, sehr gut vernetzt und zu 100 % überzeugt. Ich musste mir jetzt all das Zeug über Peter Thiel durchlesen, und da gibt es eine ganze Menge. Wahrscheinlich wird eine lange Reihe daraus. Viel Spaß beim lesen !
Peter Thiel und die Apokalypse: Die Mythenmaschine des digitalen Feudalismus

1. Der Milliardär als Prophet
Peter Thiel spricht vom Antichrist. Von der Apokalypse. Von einer Endzeit, gegen die sich die Menschheit nur mit Kontrolle, Kapital und KI zur Wehr setzen könne. Wer das hört, glaubt zunächst an eine Mischung aus Silicon-Valley-Esoterik und evangelikalem Wahn. Doch es ist kein Scherz, sondern Strategie.
Thiel ist kein Spinner – sondern Systemarchitekt. Sein apokalyptisches Weltbild ist keine private Obsession, sondern ideologischer Kern eines autoritär-technokratischen Projekts: Die Krise wird zur Bühne, das Ende zur Chance. Für neue Macht.
2. Der Antichrist als Chiffre der Demokratie
Während Marx den Kapitalismus analysierte und Foucault die Mikromechanik der Disziplin, arbeitet Thiel mit einer theologischen Figur: dem Antichrist. Doch dieser steht bei ihm nicht für das metaphysisch Böse, sondern für Unordnung, Masse, Demokratie.
Der Antichrist, das ist der Pöbel. Der Kontrollverlust. Die offene Gesellschaft.
Thiels Gegenfigur: der Katechon – jener Aufhalter des Untergangs. In der spätantiken Theologie zögert er die Apokalypse hinaus. In Thiels Welt übernimmt diese Rolle der starke Tech-Elite-Mann: rational, entschlossen, autoritär.
Was wie Mythologie klingt, ist brutale Ideologie. Die demokratische Moderne wird zum Sicherheitsrisiko erklärt – und die Lösung? Ein neofeudaler Leviathan mit Serverpark und Sicherheitscode.
3. Apokalyptik als Herrschaftstechnik
Thiel denkt Macht vom Kollaps her. Der Staat? Träge. Die Demokratie? Dekadent. Die Märkte? Verzerrt. Nur die Krise schafft Klarheit.
Sein Unternehmen Palantir liefert die Software zur "Vorbereitung auf das Schlimmste". Doch wer bestimmt, was das Schlimmste ist?
Apokalyptik wird hier zur Technik: Sie erzeugt Ausnahmezustände, delegitimiert Debatte, naturalisiert Kontrolle. Was als „Risiko-Management“ verkauft wird, ist in Wahrheit das Update eines autoritären Regierungsmodells – nur diesmal mit Algorithmus statt Uniform.
4. Marktlogik als Offenbarung
Thiel denkt religiös, aber nicht irrational. Er glaubt – an den Markt. Und an die göttliche Mission der Gewinner. Für ihn ist Demokratie nicht zu verbessern, sondern zu überwinden.
Der Markt kennt keine Diskussion – er verkündet Wahrheit. Die Demokratie dagegen fragt, zweifelt, vertagt. Ein Problem.
So wird Demokratie zur Bedrohung und der Markt zur Offenbarung. Nur wer Kapital hat, soll bestimmen. Nur wer KI beherrscht, darf lenken. Nur wer aussteigen kann, soll überleben. Die Tech-Elite als auserwähltes Volk. Der Rest? Kollateralschaden.
5. Die Mythenmaschine
Thiel betreibt keine politische Analyse, sondern Mythenerzeugung: Statt Klassen – Antichrist. Statt Kapitalismus – Endzeit. Statt Gegenmacht – Gottgleiche.
Er redet nicht von Löhnen, von Armut, von Kolonialismus. Er spricht vom „Ende der Welt“. Damit maskiert er reale Konflikte – und ersetzt politische Kritik durch metaphysische Visionen.
Das ist nicht naiv. Es ist wirkungsmächtig. Denn wer die Geschichte als Offenbarung erzählt, braucht keine demokratische Aushandlung mehr – nur noch Gehorsam.
6. Rationalisiertes Irrationales
Thiels Denken ist kein Ausrutscher des Silicon Valley. Es ist Symptom. Und Waffe.
Sein Apokalyptizismus ist rational strukturiertes Herrschaftsdenken, das in Zeiten der Unübersichtlichkeit mit klarer, autoritärer Antwort lockt. Seine Irrationalität wirkt nicht trotz, sondern wegen ihrer Widersprüche: Sie emotionalisiert, entgrenzt, mobilisiert.
Was auf den ersten Blick wie ein esoterischer Wahn wirkt, ist in Wahrheit ein technologisch unterfütterter Machtentwurf. Kalt. Strategisch. Gefährlich.
7. Was tun? Kritik statt Katechon
Die Linke darf Thiel nicht belächeln. Sie muss ihn analysieren, entzaubern, entwaffnen. Seine Apokalypse ist kein Schicksal – sondern Ideologie. Seine Vision keine Zukunft – sondern Diktatur.
Statt auf den Katechon zu warten, braucht es:
- eine radikale Demokratisierung der digitalen Infrastrukturen,
- eine Entflechtung von Kapital und Kontrolle,
- eine neue Kritik der Macht im Zeitalter der Mythen und Irrationalität.
Denn wer heute vom Antichrist spricht, will nicht das Böse bekämpfen – sondern verhindern, dass wir erkennen, worum es wirklich geht.
Link:
https://www.ardaudiothek.de/.../die-peter-thiel.../14471879/
(c) Kritik & Praxis – Verstehen. Hinterfragen. Verändern.
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