USA: Die Gewalt kommt aus der Mitte

Warum Trump kein Unfall ist – und die USA kein „gespaltenes Land“, sondern ein autoritäres Projekt von oben

JD Vance sitzt im Weißen Haus, aber nicht am Kabinettstisch. Er sitzt im Studio – und moderiert die Show von Charlie Kirk, dem erschossenen rechten Propagandisten. Der Vizepräsident der USA als Sidekick eines Kulturkämpfers. Das ist kein Ausrutscher. Das ist Inszenierung.

Vance nennt die Tat ein Werk der „radikalen Linken“. Beweise? Keine. Botschaft? Klar: Wir – die Rechten – sind Opfer. Sie – die Linken – sind Täter.

Ein Reichstagsbrand im Studio-Licht.

Gewalt ist kein Unfall

Viele sprechen von „Spaltung“. Aber die Gewalt kommt nicht von außen. Sie kommt aus der Mitte.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden in den USA nicht Rechte verteilt, sondern Rechte verweigert. Streiks mit Gewehren niedergeschlagen. Schwarze Männer nach der Befreiung gelyncht, weil sie wählen wollten. Sozialreformen als „kommunistisch“ verteufelt.

Das ist keine Krise. Das ist System. Historiker wie Philip Foner oder Howard Zinn haben es dokumentiert: Wer Gleichheit will, wird bekämpft. Immer.

Kapitalismus als Religion

Schon in den 1930ern bauten Unternehmer Radioprogramme, um Sozialpolitik zu dämonisieren. „Hilfe vom Staat ist Sünde“ – das war die Predigt. Elizabeth Fones-Wolf hat gezeigt, wie tief diese Ideologie in die Köpfe brannte.

Der Markt wurde zum Gott. Gewerkschaften zum Teufel. Wer Krankenversicherung wollte, galt als Feind.

So entstand eine Demokratie, die Sozialpolitik nicht nur ablehnt, sondern als Bedrohung empfindet.

Rassismus als Waffe

Nach der Sklaverei kam keine Gleichheit. Es kam ein neues Feindbild: Schwarze Bürger:innen mit Rechten.

Cedric Robinson nannte das „Racial Capitalism“: Kapitalismus braucht Rassismus, um Ungleichheit zu organisieren. Und Keeanga-Yamahtta Taylor zeigt, wie die Sozialstaatsdebatte rassistisch vergiftet blieb: Jede Hilfe galt als „Geschenk an die Falschen“.

Wer Schwarz ist, wer arm ist, wer organisiert ist – wird bis heute als Gefahr markiert.

Die Radikalisierung der Mitte

Ab den 1970ern mobilisierten Kirchen, Vorstädte und Mittelschicht gegen „Umverteilung“. Keine Steuern, keine Schwarzen in den Schulen, keine Gleichheit.

Matthew Lassiter und Theda Skocpol haben gezeigt: Die Tea Party war keine Revolte der Armen, sondern der Besitzenden.

Die „Extremisten der Mitte“ (Greiner) – genau sie tragen Trump.

Trump ist kein Bruch

Trump ist kein Unfall. Er ist die Konsequenz. Corey Robin nennt ihn die Stimme der Besitzenden. Er macht offen, was lange gedacht wurde: Arme sind faul. Schwarze gefährlich. Gewerkschafter Feinde.

Seine Waffe: Angst. Seine Methode: Einschüchterung. Seine Bühne: ein Land, das gelernt hat, Ungleichheit zu lieben.

Die neue Welle der Repression

Und heute? Die letzten vier Wochen zeigen, wohin es geht:

- Trump erklärt die Antifa zur Terrororganisation.

- Er verklagt die New York Times auf 15 Milliarden – nicht, um zu gewinnen, sondern um einzuschüchtern.

- Schulen müssen „patriotische Bildung“ einführen – Kritiker:innen droht Berufsverbot.

- Die populäre Jimmy Kimmel Late-Night-Show auf dem Fernsehsender ABC wird abgesetzt, weil sie den Präsidenten verspottet.

- Universitäten werden mit Sammelklagen überzogen – kritische Forschung gilt als „Staatsfeind“.

Das ist kein Chaos. Das ist ein Fahrplan in Richtung autoritäres Regime und permanenter Repression.

Europa im Spiegel

Wer glaubt, das sei ein US-Problem, irrt. In München verteidigte Vance die AfD. Meloni, Le Pen, Orbán – sie alle orientieren sich an Trump. Die neue Rechte ist transnational. Ihre Feindbilder sind deckungsgleich: trans, grün, links, demokratisch, migrantisch, feministisch.

Und die andere Seite?

Es gibt sie: Gewerkschaften, Schwarze soziale Bewegungen, linke Organisationen. Aber sie sind zur Zeit zu schwach, um flächendeckend Widerstand zu leisten. Die amerikanische Arbeiterklasse ist mit Alltagsproblemen beschäftigt, gespalten und unter starkem ideologischen Einfluss des Trumpismus.

Ideologisch ist die libertäre und autoritäre Ideologie des Trumpismus auf dem Vormarsch. Was früher Solidarität hieß, gilt heute als Sozialneid. Was früher Widerstand war, heißt heute Extremismus. Eine Schockstarre, sagt der Politikwissenschaftler Bernd Greiner. Und eine Mehrheit, die (noch) schweigt und zunehmend Angst hat sich zu wehren.

Was tun?

Trump ist nicht das alleinige Problem. Das Problem ist das System, das ihn möglich gemacht hat. Ein Kapitalismus, der Rassismus braucht. Eine Demokratie, die Streiks niederschlägt. Eine Kultur, die Gleichheit fürchtet.

Unsere Antwort kann nicht Analyse allein sein. Wir brauchen Gegenmacht. Organisation. Internationale Solidarität. Und Klarheit.

Denn autoritäre Regime und Faschismus beginnt nicht mit Panzern. Sondern mit Podcasts im Weißen Haus und der Androhung von Repression.

Link:

https://www.fr.de/.../politikwissenschaftler-und...

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