Yacht der Klasse – Wie der Luxus vor Mallorca Anker wirft
Ein Essay über schwimmende Paläste, verdrängte Realitäten und die Ästhetik der Herrschaft
Sie glänzt im Sonnenlicht wie eine Festung aus Chrom. 112 Meter lang. Drei Millionen Euro pro Woche. Die Megayacht vor der Küste Mallorcas ist nicht einfach ein Schiff – sie ist ein Zeichen. Während Menschen auf der Insel ihre Wohnung verlieren, weil Investor:innen ihre Häuser aufkaufen, ankert hier das Kapital selbst, schwer bewaffnet mit Symbolen: Infinity-Pool, Helikopterlandeplatz, 15-köpfige Crew.
Darf’s ein bisschen mehr sein?
Das Schiff als politische Allegorie
Die Yacht ist kein Privathobby. Sie ist eine politische Allegorie. Sie steht für eine Ordnung, in der die Meere – einst Gemeingut – zu exklusiven Erlebniszonen der Superreichen werden. Das Wasser, das andernorts rationiert wird, fließt hier in Whirlpools und Spa-Landschaften. Die Insel, von der aus sie bewundert (oder verflucht) wird, gerät in den Schatten.
Pierre Bourdieu hätte diese Szene als Ausdruck symbolischer Gewalt gelesen: Der Luxus dient nicht der Befriedigung von Bedürfnissen, sondern der Machtdemonstration. Die Yacht ist eine schwimmende Bühne der Klasse – eine mobile Enklave der Abgrenzung, in der sich Besitz, Sicherheit und Ästhetik zu einer neuen Architektur des Herrschens verbinden.
Ästhetik der Ungleichheit
Was hier zur Schau gestellt wird, ist mehr als Reichtum. Es ist, was David Harvey die „ästhetische Legitimation der Akkumulation“ nennt. Kapital wird nicht nur investiert – es wird inszeniert. Der Reichtum wird performativ, körperlich, raumgreifend. Er will gesehen werden – gerade in Zeiten der Krise.
Und so wird das Schiff zur Metapher: für die Entkopplung der Eliten von Raum, Gesellschaft, Verantwortung. Während Mallorcas Innenstädte veröden, weil dort keine einheimische Familie mehr eine Wohnung findet, werden 4000 Liter Diesel am Tag verfeuert – für den Blick aufs Mittelmeer. Mike Davis beschrieb diese Art urbaner Spaltung als „dual city“ – doch was, wenn die eine Stadt inzwischen auf dem Wasser schwimmt?

Insel der Besitzlosen
Gleichzeitig regt sich Widerstand. Am 15. Juni werden Tausende durch Palma ziehen – gegen den Ausverkauf der Insel, gegen Wohnungsnot, gegen die Verwandlung Mallorcas in ein touristisches Anlageprodukt. Ihr Slogan: „Menys turisme, més vida“ – Weniger Tourismus, mehr Leben.
In diesen Protesten zeigt sich ein Bewusstsein dafür, dass der Konflikt längst nicht mehr zwischen „Einheimischen“ und „Tourist:innen“ verläuft – sondern zwischen denen, die sich die Insel aneignen, und denen, die sie verteidigen. Zwischen Kapital und Leben.
Zygmunt Bauman sprach einst von einer Welt der „Touristen und Vagabunden“. Die einen können sich überallhin bewegen. Die anderen werden verdrängt, kontrolliert, immobilisiert. Die Yacht zeigt: Dieses Verhältnis wird nicht überwunden – es wird perfektioniert.
Wem gehört das Meer?
Man könnte hier auch Elinor Ostrom oder Silvia Federici lesen, die das Meer als Gemeingut denken – als ein soziales Territorium, das nicht durch Eigentum, sondern durch Nutzungsrechte, Verantwortung und Solidarität organisiert sein sollte. Doch statt Commons: Kommerz. Statt Teilhabe: Zugangssperre.
Und noch eine dialektische Brechung fehlt: Während reiche Europäer:innen mit Luxusyachten die Küstenlinien durchqueren, sterben an denselben Grenzen Geflüchtete auf dem Weg nach Europa. Die einen surfen auf dem Kapitalstrom, die anderen versinken in seinem Strudel.
Was bleibt?
Vielleicht dies: Eine Yacht kann man kaufen. Ein gutes Leben nicht.
Solange solche Symbole des Überflusses weiter im Mittelmeer vor Anker gehen, bleibt die Frage, wem die Zukunft gehört: Den Besitzenden – oder jenen, die sich wehren? Und was wäre eine Insel, die sich nicht mehr verkauft, sondern kämpft? Nicht mit Neid. Sondern mit Klassenbewusstsein.
(c) Kritik & Praxis – Verstehen. Hinterfragen. Verändern.
Link:
https://www.mallorcamagazin.com/.../sie-kostet-drei...
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